In diesem Teil stellen wir zwei wissenschaftliche Nachbauten vor und zeigen anschliessend, wie wir unsere Ötzi Schuhe bauen:

  Version von Petr Hlavácek
  Version von Anne Reichert
  Unser Nachbau des Ötzi Schuhs

 

Hier ein kleiner Beschrieb von Petr Hlavácek ( Professor für Schuhwissenschaft):

Die Fussbekleidung von Ötzi, der Gletschermumie, die ich analysiert habe, ist sehr bequem - auf weichem Waldboden getragen.
Zwischen zwei Ledersohlen befand sich ein Netz aus geflochtener Lindenrinde, auf dem eine dicke Füllung aus Heu lag. Das sorgte für erstaunlichen Komfort, und ich habe in Tests festgestellt, dass man in solchem Schuhwerk eiskalte Bäche durchqueren kann und danach in kürzester Zeit wieder warme Füsse hat. Versuchen Sie das einmal in modernen Schuhen! Die Ötzi-Schuhe schneiden, sowohl, was den Wärme- und Feuchtigkeitskomfort, als auch, was die mechanische Qualität angeht, besser ab als viele moderne Schuhe. Allerdings gibt es da auch etwas Seltsames. Bei den Schuhen Ötzis wurden drei Lederarten verwendet. Das Oberleder lieferte der Hirsch, die Verbindungsstücke das Kalb. Die Untersohle hingegen ist aus Bärenleder, und das ist nun doch sehr erstaunlich!
Wieso? Weil Bärenhaut schlecht ist und nur sehr schwer haltbar gemacht werden kann. Dass Ötzi eine Untersohle aus Bä­renleder trug, muss andere Gründe haben. Ich denke an eine Totemfunktion: Vielleicht dachten die Menschen vor 5000 Jahren, der Geist des Tieres gehe so auf den Träger über.

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Rekonstruktion von Anne Reichert

Im Gegensatz zu Petr Hlavacek sind andere Forscher der Meinung, dass Ötzis Schuh hinten nicht offen sondern mit Leder oder Fell geschlossen war. Ebenfalls scheint es auch wahrscheinlicher, dass die Heufüllung zwischen dem Netzgeflecht und der Lederhülle als Isolationsschicht diente.

Hier ein Ausschnitt aus den Forschungsergebnissen von Anne Reichert:

Bei meinen Versuchen zur Rekonstruktion der Ötzi-Schuhe bin ich auf interessante
Details gestoßen die vermutlich dadurch suggerierten Rekonstruktionen von „halben“ Schuhen, bei denen nur der Vorderfuß von Fell bedeckt ist, für falsch halten lassen.

Abb. 1 zeigt eine komplette Rekonstruktion der Schuhe aus Hirschfell mit Bärenfellsohle,
mit Innengeflechten aus Lindenbast , nicht Gras, wie ursprünglich behauptet) und mit Heufüllung zur Isolation. Der breite Querriemen auf der Unterseite drückt sich beim Gehen sehr schnell in das Sohlenleder ein, bildet gewissermaßen ein Profil und hat sich im Experiment als Schutz vor Ausrutschen bewährt.
Abb. 2 zeigt nur die Innengeflechte aus gezwirnten und gedrehten Schnüren zum Demonstrieren ihrer Konstruktion, von der man in den fertigen Schuhen ja fast nichts mehr sieht. Eigenartig ist, dass sie verschieden gearbeitet sind. Beim linken Geflecht werden die zur Sohle senkrechten gezwirnten Längsstränge rundherum durch eine gedrehte Schnur zu einem Netz verknotet, in dem die Fußform unmittelbar zu erkennen ist. Das rechte Geflecht ist ein unterschiedlich breites Band, wobei die gedrehte Schnur die gezwirnten Längsstränge hin- und hergehend miteinander verknotet. Durch eine Verschnürung auf dem Fußrist wird dann das Geflecht dem Fuß perfekt angepasst.

Ich habe mich zu Beginn meiner Beschäftigung mit den Ötzi-Schuhen oft gefragt,
warum man so verschieden breite Lederriemen zum Befestigen von Innengeflecht
(Breite etwa 2 cm) und Außenschuh (Breite etwa 0,5 cm) an der Sohle verwendet hat.
Warum wurde nicht ein und dasselbe Lederband bei der Herstellung eines Schuhes
verwendet, bzw. warum ist ein Lederband so viel breiter, was ja nicht gerade das
Durchziehen durch die Schlaufen am Innengeflecht und die Schlitze in der Sohle erleichtert? Abb. 1 Rekonstruktion der Ötzi-Schuhe aus Hirschfell mit Bärenfellsohle. Eine Isolierschicht aus trockenem Gras wird durch ein Innengeflecht aus gezwirnten und gedrehten Lindenbastschnüren rundum im Schuh festgehalten.
Aus der Erfahrung meiner Experimente schließe ich, dass es sich hierbei keineswegs um einen Zufall handelt!

Wie auf Abb. 2 zu sehen ist, verläuft das breite Lederband in Vorstichtechnik abwechselnd durch die unteren Schlaufen der gezwirnten Längsstränge des Innengeflechts, die dazu erst etwas geweitet werden müssen, und durch die Schlitze in der
Sohle. Dabei rutschen die Längsstränge immer zu einer Kante, in diesem Fall nach
innen, zum Fuß hin, weil von da der Zug des ganzen Geflechts kommt. D. h., sie stehen
nie mittig über dem breiten Lederriemen, sondern an dessen Innenkante. Da der schmalere Lederriemen, mit dem der Außenschuh in Vorstichtechnik an der Sohle befestigt wird, durch dieselben Schlitze wie das breite Lederband verläuft, jedoch versetzt (siehe Ansicht der Sohle auf Abb. 1), entsteht so ein 2 cm breiter Zwischenraum zwischen dem Innengeflecht und dem Außenschuh für die Isolationsschicht aus trockenem Gras. Offenbar war dies von vornherein geplant, und deshalb wurden so unterschiedlich breite Lederriemen verwendet: dreilagig aufgebaute Schuhe - High Tech der Steinzeit!

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Unser Nachbau des Ötzischuhs

Unser Nachbau des Ötzischuhs folgt weitgehend den Erkenntnisse von Anne Reichert. Ihre Version scheint uns aus handwerklicher und funktionaler Sicht logischer als der halboffene Schuh von Petr Hlavacek.

Hier eine Anleitung, wie wir im Detail vorgehen möchten:

Auf einem Stück Leder der Stärke 4 mm zeichnen wir den Umriss unseres Fusses nach.  
Zusätzlich zum Umriss zählen wir überall 2 cm dazu und schneiden diese Schuhsohle aus.  
Alle ca. 3cm markieren wir eine Schlitzstelle. Die Anzahl der Schlitzstellen sollte eine gerade Zahl sein.  
Mit einer Lochzange stanzen wir an den inneren Stellen der Schlitzstellen jeweils ein Loch mit dem Durchmesser 1 bis 2 mm.  
Mit dem Stechbeitel stechen wir anschliessend den Schlitz so breit aus, dass bis zum Rand noch ca. 5 mm bleiben. Wiederum mit der Lochzange stanzen wir an diesem äusseren Punkt erneut ein Loch. So lässt sich das ausgestanzte Stücklein Leder gut aus dem Schlitz brechen.  
Aus dem dünneren Oberleder schneiden wir Streifen der Breite 10 bis 12 mm. Also ca. 3 mm weniger breit als die Schlitze in der Schuhsohle.
Dieses Lederband schleifen wir in die Schlitze ein.
Zum verknoten am Schluss lochen wir das eine Ende, spalten das andere Ende und verknüpfen so die beiden Enden miteinander.
 
Um die Schnüre durch diese Laschen zu ziehen, eignet sich ein Drahthaken, den wir uns kurz zurechtbiegen.
Die Schnurlänge sollte am Vorderfuss ca. 120 cm lang und an der Ferse etwa 100 cm lang sein.
Wir ziehen die Mitte der Schnur von Aussen ein kleines Stück unter die Lederriemen ein und schlaufen dann die beiden Enden ein.
 


Nun werden immer die benachbarten Schnurstücke miteinander verknüpft. So entsteht von unten nach oben ein Netz um den Fuss. Dies wird der spätere Innenschuh.

 
Zum Knüpfen des Netzes ist es praktisch, einen fussähnlichen schweren Gegenstand (hier aus Holz) auf die Schuhsohle zu legen.
Um das Netz, das ja den Innenschuh bildet später satt über dem Fuss zu binden, lassen wir über dem Rist einen Teil unverknüpft. Hier können wir später mit einem Schuhbändel den Innenschuh schnüren.
Nun sollte noch der Schuhbändel eingeschlauft werden.
 
Nun versuchen wir eine möglichst passende Form zu finden, welche zwischen dem Fuss und dem Leder ca. 2 cm Raum lässt.
Diese Form suchen wir mit einem Papierstück, das wir sehr einfach zuschneiden können.
 

Haben wir die endgültige Form gefunden, so übertragen wir sie so auf unser Oberleder, dass möglichst wenig Abfall entsteht.

Dann das Stück ausschneiden.

 
Ein Rand von 1 cm auf der feineren Seite des Leders nach oben biegen.  

An der Fussspitze beginnen wir mit dem Annähen. Dazu müssen wir zuerst eine 1-2 mm breite Lederschnur abschneiden.

Folgendes Vorgehen hat sich bewährt: Leder positionieren, lochen, nähen - Leder positionieren, lochen, nähen, usw.

Falls nötig, beim Schienbein eine leichte Rundung ausschneiden. (Siehe Bild)

 
Wir achten von Beginn weg darauf, dass die Naht alternierend zur Naht des breiten Lederbandes verläuft.
Auf diese Weise haben wir beim Gehen ein besseres Profil auf der Unterseite.
 
Wenn wir am Ende der Naht des Ristlederstücks angelangt sind, nähen wir das Fersenstück gerade mit ein.
Das Fersenstück ist ein Rechteckiges Lederstück dessen Rand wir wiederum 1 cm umbiegen vor dem annähen.
 

Anfang und Ende des Lederriemchens knüpfen wir auf der Oberseite zusammen.

Mit zwei Löchern und einem kleinen Lederriemchen verbinden wir nun noch links und rechts das Riststück und das Fersenstück.

 
Sieht elegant aus, nicht wahr! Aber halt, wir sind noch nicht fertig!  

Zwischen Netzschuh und Aussenschuh stopfen wir nun eine Schicht aus möglichst feinem Heu. Lange Halme eignen sich besser als all zu kurze.

Eher mehr als zu wenig Heu einfüllen, da sich das Heu beim Gehen verdichtet.

 
So, wir sind fertig. Wie wär´s mit einem kurzen Spaziergang ... zumindest mal mit einem Schuh...  

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